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Vermieter wittern jetzt das große Geschäft mit Flüchtlingen

Viele Flüchtlinge verlassen ihre Erstunterkünfte und kommen auf den regulären Wohnungsmarkt. Dort warten Vermieter mit Immobilien auf sie, die bislang niemand wollte – und machen das große Geschäft.

Schmucklos stehen sie da, die beiden ziegelroten Flachbauten im Gewerbegebiet von Essen-Holsterhausen. Die Fenster haben den berüchtigten quadratischen 60er-Jahre-Schnitt, das Erdgeschoss wurde als halbes Souterrain im Erdboden versenkt. Nebenan gibt es Fahrzeugteile zu kaufen, eine Querstraße weiter braust der Verkehr auf der Autobahn A 40.

Nichts Ungewöhnliches für diesen eher zweckmäßigen Teil der Ruhrgebietsstadt – wäre da nicht eine Geschäftsidee des Lokalpolitikers Arndt Gabriel gewesen. Das langjährige SPD-Mitglied aus dem Wahlkreis Katernberg-Beisen ist nicht nur Ratsherr und Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, sondern auch Reinigungsunternehmer und Geschäftsführer der w-sale Immobilien GmbH.

Mit einem minimalen Eigenkapitalanteil kaufte die Firma die beiden Häuser an der Münchener Straße für rund 670 Euro pro Quadratmeter und vermietet sie jetzt an die Stadt Essen, die dort rund 450 Flüchtlinge unterbringen will. In ein paar Tagen sollen die ersten Migranten einziehen. Brutto-Mieteinnahmen pro Jahr: 600.000 Euro. Der Mietvertrag läuft über zehn Jahre.

Inzwischen ist allen die Sache ein wenig unangenehm. Das Rechnungsprüfungsamt der Stadt nimmt zurzeit den Mietvertrag unter die Lupe. Die SPD-Genossen vor Ort versuchen so viel Abstand zu ihrem altgedienten Parteikollegen zu gewinnen wie nur möglich, ohne dass es zu peinlich wird. Gabriel selbst hat sich zurückgezogen und ist per Mail oder Telefon kaum zu erreichen. Sein Mandat lässt er ruhen, bis die Prüfung abgeschlossen ist.

Dauerhafte Quartiere für Flüchtlinge gesucht

Dabei wollte der erfahrene Politiker eigentlich etwas Sinnvolles tun: Die finanzschwache Stadt Essen ächzte unter hohen Kosten für die provisorische Unterbringung Hunderter Flüchtlinge in Zeltstädten. Die Betriebs- und Betreuungskosten in solchen Behausungen sind extrem hoch, und das Bundesland Nordrhein-Westfalen nimmt bei der Verteilung der Flüchtlinge wenig Rücksicht auf die Alternativen vor Ort. Jede halbwegs stabile bestehende Unterkunft ist deshalb willkommen. Und dass man damit ein bisschen Gewinn machen darf, ist auch nicht verboten – so jedenfalls argumentiert Arndt Gabriel.

Der Politiker und Unternehmer katapultierte sich damit mitten hinein in das heikle Geschäft mit der Unterbringung von Flüchtlingen. Die erste Einwanderungswelle, während der sich vor allem Eigentümer von Hostels, Wohncontainern oder Baumarkthallen an der Notlage von Bund und Ländern finanziell gesundstoßen konnten, ist vorüber. Jetzt geht es um dauerhafte Quartiere in Gemeinschaftsunterkünften und bald auch am freien Wohnungsmarkt. Denn nach und nach werden die Asylanträge der Migranten bewilligt, sie verlassen ihre provisorischen Behausungen und werden zu normalen Mietern.

Damit wandern sie direkt ins Hartz-IV-System und in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden. Weil die meisten Städte weder einschätzen können, welche Kosten auf sie zukommen, noch wie viele Flüchtlinge ihnen in diesem Jahr zugewiesen werden, entsteht ein gewaltiger Markt für Eigentümer von Immobilien, die in der Vergangenheit kaum Mieter finden konnten.

Flüchtlinge rutschen ins Hartz-IV-System

Reiner Braun, Vorstand des Beratungsunternehmens Empirica, sieht darin den Anfang einer neuerlichen Kostenlawine. „Wenn die Asylanträge von Flüchtlingen anerkannt sind – und das wird jetzt schlagartig kommen –, dann haben sie grundsätzlich auch Anspruch auf eine Wohnung.” Vor allem für Städte mit angespannten Wohnungsmärkten entstehe damit eine nahezu unlösbare Aufgabe. „Wenn Kommunen jetzt beginnen, aus einer Zwangslage heraus selbst Wohnungen anzumieten, dann besteht immer die Gefahr, dass überhöhte Preise gezahlt werden”, so Braun.

Noch aber machen die Anbieter von Gemeinschaftsunterkünften ein gutes Geschäft. So wie Arndt Gabriel in Essen. Oder der Eigentümer des früheren „Hotels Christl” in Ansbach, das heute ein Flüchtlingsheim ist – eines mit einer problematischen Geschichte. Dort lebte der Attentäter Mohammad Daleel, der sich am 24. Juli bei einem Sprengstoffanschlag selbst tötete und 15 andere Menschen verletzte. Die Stadt Ansbach wollte auf Anfrage weder mitteilen, wer der Eigentümer der Immobilie ist, noch wie viel Steuergeld für das in die Jahre gekommene Gebäude gezahlt wird.

Unbestätigten Informationen zufolge sind es 500 Euro pro Monat und Flüchtling – ein wesentlich besseres Geschäft als jenes mit anstrengenden Touristen, die sich vor sechs Jahren in Online-Foren noch über kaputte Duschen und Toiletten in dem heruntergekommenen Gebäude beschwerten.

European Homecare macht 100 Millionen Umsatz im Jahr

Genauer sind die Informationen über das umtriebige Unternehmen European Homecare, das bundesweit Flüchtlingsheime betreibt. Internen Zahlen zufolge stieg der Umsatz des Anbieters in den letzten zwei Jahren von 17 auf 100 Millionen Euro. Und mit der wachsenden Nachfrage stiegen auch die Preise.

Ein Rechercheteam von „Correctiv” errechnete für eine Unterkunft im nordrhein-westfälischen Velbert einen monatlichen Satz von 1500 Euro pro Flüchtling, den European Homecare von der Stadt bezahlt bekommt, inklusive Verpflegung und Betreuung. Dagegen nimmt sich der „Christl”-Besitzer im bayerischen Ansbach fast bescheiden aus.

Bezahlt wird er indirekt vom Land Bayern, das einfach die Rechnungen von Landkreisen und Gemeinden übernimmt. Die meisten anderen Länder zahlen dagegen Kopfpauschalen zwischen 7000 Euro und 13.000 Euro pro Jahr für die Unterbringung der Flüchtlinge an die Kommunen.

Für manche ist das viel zu wenig, so wie für die Stadt Schwerte. Man sei inzwischen zum Großmieter avanciert, sagt Hans-Georg Winkler, Erster Beigeordneter des Bürgermeisters: „Wir haben unheimlich viele Wohnungen angemietet, in insgesamt 45 Objekten.” Die Kosten seien unüberschaubar. Das vergangene Jahr habe man bereits mit einem Budgetdefizit von fast 2,9 Millionen Euro abgeschlossen.

Hamburg plant neue Großsiedlungen

Andere Städte, so wie Hamburg, planen in Windeseile neue Großsiedlungen. Im Schnellverfahren beschloss die Bürgerschaft der Hansestadt vor Kurzem die Freigabe von Sicherheiten für Förderdarlehen und Zwischenfinanzierungen für den Wohnungsbau in Höhe von 970 Millionen Euro.

Mancherorts geht auch völlig der Überblick verloren, so wie vor wenigen Monaten in Berlin. Die private Firma BerlinLux Apartments Rental hatte für einen Tagessatz von 50 Euro pro Person und Nacht eine siebenköpfige Flüchtlingsfamilie einquartiert.

Einnahmen pro Monat durch Zahlungen des Landesamts: über 10.000 Euro. Die möblierte 95-Quadratmeter-Wohnung war allerdings wiederum nur angemietet, zum Preis von 990 Euro. Vermieterin: die landeseigene Gesellschaft Berlinovo. Die Wohnung gehört also dem Senat der Stadt selbst. Das Mietverhältnis ist inzwischen aufgelöst.

2,2 Milliarden muss Berlin für Flüchtlinge bereitstellen

Billiger wird es trotzdem kaum. Knapp 2,2 Milliarden Euro muss Berlin für die rund 120.000 Geflüchteten bereitstellen, die bis 2017 in der Hauptstadt leben werden, so eine Prognose des Maklerunternehmens Aengevelt. 23.000 Wohnungen müssten gebaut werden. Etliche modulare Unterkünfte aus Containern sind bereits in Arbeit. Doch das wird kaum reichen.

Der Notlage bei der Erstunterbringung in Zelten und Containern dürften somit weitere Notlagen am regulären Wohnungsmarkt in den Städten folgen. Ein erfahrener Manager aus der Dortmunder Wohnungswirtschaft beobachtet genau, was geschieht, möchte aber seinen Namen nicht veröffentlichen lassen: „Der Markt ist sowieso schon relativ eng, auch in einer Stadt wie Dortmund”, sagt er.

Manche Vermieter würden das ausnutzen. „Da gibt es Wohnungen aus den 60er-Jahren, in denen über Jahrzehnte kaum etwas renoviert wurde. Die sind gar nicht mehr marktfähig und haben im Einkauf vielleicht nur 300 Euro pro Quadratmeter gekostet. Wer so eine Wohnung jetzt an Flüchtlinge vermietet oder auch an andere Empfänger von Arbeitslosengeld, lacht sich doch ins Fäustchen. Die Gemeinde muss dann gemäß Sozialmietensatz 5,25 Euro pro Quadratmeter für Schrottimmobilien bezahlen.”

Noch leben viele Flüchtlinge in den Massenunterkünften, auch wenn sie längst als Asylbewerber anerkannt sind. „Die Zahl der sogenannten Fehlbeleger nimmt aber jetzt zu”, sagt Bernd Mesovic vom Verein Pro Asyl. „Die müssten eigentlich raus aus den Gemeinschaftsunterkünften.”

Das jedoch erzeugt enormen Aufwand. „Bei der Unterbringung in regulären Wohnungen benötigt man ein Auszugs- und Wohnungssuch-Management. Die meisten Flüchtlinge können ihre Solvenz nicht erklären, und es gibt Sprachbarrieren”, so Mesovic. Für Anbieter entsprechender Betreuungsdienste eröffnet sich das nächste große Geschäft.

So können private Vermieter helfen

Viele Flüchtlinge leben noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung oder in Gemeinschaftsunterkünften. Wer jedoch als Asylbewerber anerkannt ist, kann auf dem freien Wohnungsmarkt nach einer Bleibe suchen. Ansprechpartner sind in der Regel die Sozial- oder Wohnungsämter vor Ort.

Meist werden die Neumieter auf staatliche Hilfe angewiesen sein, und dabei gelten die Höchstgrenzen nach dem Sozialgesetzbuch. Eigentümer, die eine Wohnung vermieten oder auch einige Zimmer untervermieten wollen, sollten also nicht davon ausgehen, dass sie mehr als die Sozialmiete fordern können.

Es gibt auch unterschiedliche Anforderungen an die Wohnungsgrößen. In Berlin etwa gilt die Regel, dass zwei Personen mindestens 30 Quadratmeter haben müssen. Der Mietvertrag wird von den Asylbewerbern selbst oder von einem Mitarbeiter der Stadt unterschrieben. In der Regel sind die Mietverträge unbefristet, die Flüchtlinge haben also dieselben Rechte wie andere Mieter auch.

Deshalb ist es wichtig, sich bei einer ausführlichen Besichtigung kennenzulernen. Vermietern wird geraten, eine Abtretungserklärung unterschreiben zu lassen. Darin erklärt sich der Mieter bereit, dass das Jobcenter beziehungsweise das Sozialamt die Mietzahlungen direkt an den Vermieter überweist. Auch die Heizkosten übernehmen die Ämter. Besondere Steuervorteile gibt es nicht.

http://www.welt.de/finanzen/immobilien/article157643416/Vermieter-wittern-jetzt-das-grosse-Geschaeft-mit-Fluechtlingen.html

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