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Die Stimmung ist oft aufgeheizt, Frust staut sich auf

Die Stimmung ist oft aufgeheizt, Frust staut sich auf

Während Politik und Anwohnerinitiativen um Standorte und Abstände zwischen Unterkünften ringen, bestimmen oft Eintönigkeit und fehlende Privatsphäre den Alltag in Hamburger Erstaufnahmen. Ein Besuch.

Ein Fußball knallt von außen gegen die Zimmerwand, Gulda* schreckt hoch und schreit. Astera Aras hebt das drei Monate alte Mädchen aus seinem Bett und wiegt es hin und her, besänftigt, streichelt, doch Gulda will einfach nicht, kann einfach nicht aufhören zu weinen. Die Mutter sagt: „Seit wir hier im Camp leben, fürchtet sich meine Tochter vor den ständigen lauten Geräuschen, sie schläft nachts kaum.” Ihren Korridor im zweiten Stock eines grauen Containers teilt sich die syrische Familie aus Aleppo mit Irakern, einer albanischen Familie und anderen Syrern. Es riecht nach altem Reis, der vor sich hin köchelt.

Ein Stockwerk darunter prügeln sich abends oft junge Afghanen, die nicht wissen wohin mit ihrer Energie und der Wut. Zwischen den Containern und Klohäuschen trotten ein paar Sicherheitsleute, an den Außentreppen der Container drücken sich Jungs in Kapuzenpullis und Badeschlappen herum. Die Erstaufnahme (ZEA) Schnackenburgallee ist ein trostloses Betonareal, eingezwängt zwischen A7 und Verbrennungsanlage, das Volksparkstadion ist nicht weit. Es sind die ersten Eindrücke, die viele Flüchtlinge und Migranten nach ihrer Flucht von ihrem Sehnsuchtsort Deutschland bekommen.

Zentrale Erstaufnahmen in Hamburg
  • Wie viele Menschen leben in

Etwa 1500 Menschen leben dort in Containern, hier werden sie auf unbestimmte Zeit verwahrt, abgekappt vom Rest der Stadt. „Deutschland ist sicherlich ein gutes Land”, Astera Aras zögert, „außerhalb dieses Camps.”

Ringen um Unterkünfte und Familienleben auf acht Quadratmetern

Man kann diese Zustände mitten in Hamburg leicht vergessen, vielleicht verdrängen. Aktuell dominiert das zähe Ringen zwischen Senat und Anwohnerinitiativen die Debatte; es geht um kleinere Standorte und um Abstände zwischen den Unterkünften, um Gebietsverträglichkeit und Verteilungsschlüssel. Es ist für die Menschen hier drin eine technische Diskussion. Bis Ende August hat der Senat nun Zeit abzuwägen, dann folgt der nächste Schritt, ein Volksbegehren. Viel spricht dafür, dass es wegen des am Ende drohenden Volksentscheids zu einem Kompromiss kommt, auch weil die Flüchtlingszahlen stark sinken, nur 413 Personen wurden der Stadt in den ersten drei Märzwochen zugewiesen. Im Februar waren es noch 2300 Menschen.

Die Forderungen nach kleineren Einheiten werden lauter werden, vielleicht ergeht ein neuer Suchauftrag an die Bezirke. Das bedeutet gleichzeitig, dass viele Tausend Menschen noch länger in Provisorien ausharren müssten, weil die Folgeunterkünfte nicht schnell genug fertig werden. Dann bleiben Baumarkthallen, Containerdörfer und Zelte ein Dauerzustand. Unterkünfte, die vor noch gar nicht langer Zeit als unwürdig für ein Land wie Deutschland galten.

Der einzige Rückzugsort von Familie Aras ist ein schmales Kabuff, ständig tritt man als Besucher auf Habseligkeiten. Auf etwa vier mal zwei Metern stehen da: zwei schmale Betten, notdürftig zusammengeschoben, daneben ein Babybett, fleckige Teppiche, Säcke mit Wäsche und Windeln, eine rostige Herdplatte, Kinderspielzeug, Geschenke von Helfern. Zu Hause in Syrien besaß die Familie mehrere Wohnungen und einen Supermarkt, die Enge ihrer Unterkunft ist ihr sichtbar peinlich. Auch die Innenbehörde und der Betreiber wollen sich eigentlich nicht über die Schulter schauen lassen, auf offiziellem Wege gelangt kaum ein Reporter in die beengten Erstaufnahmen.

Dilian Aras krempelt seinen rechten Ärmel hoch und zeigt zwei wulstige Narben, der Stacheldraht in Mazedonien hat Fetzen aus seiner Haut gerissen. Er ist 32 und hat schon graue Strähnen im Haar. Er referiert die Stationen der Flucht routiniert, ein Weg wie so viele ihn gehen und doch immer wieder unvorstellbar: Die Familie mit den kurdischen Wurzeln hielt irgendwann nichts mehr in Aleppo, hier die Truppen des Diktators Assad, dort die Schergen des IS. Zu Fuß flüchteten sie über die türkische Grenze, dann die lebensgefährliche Fahrt in einem schwankenden Kahn über das Meer nach Griechenland. Seine Frau ist da schon schwanger. Die Balkanroute, Mazedonien, am 27. August kommen sie mit dem Zug in München an, die Menschen lächeln, Deutschland fühlt sich warm an. Sie landen am Ende in Hamburg, in einem Zelt in der Schnackenburgallee.

Manche Flüchtlinge warten ein Jahr auf die erste Anhörung

„Unterbringung in Zelten” – dieser Begriff führt längst ein Eigenleben. Erst hieß es: Zelte in einer reichen Stadt wie Hamburg – niemals, so eine Unterkunft sei niemandem zuzumuten. Später beschworen alle Verantwortlichen von der Amtsleiterin bis zu Bürgermeister Scholz, die Menschen vor dem Frost aber wirklich aus den Provisorien herauszubekommen. Doch sie blieben. Noch immer hausen aktuell etwa 350 Menschen am Karl-Arnold-Ring und am Ohlstedter Platz in Zelten.

Auch Familie Aras lebte zusammengepfercht auf 36 Quadratmetern mit einem Dutzend anderer Menschen, gegen den schneidigen Wind nur durch klamme Planen geschützt. Wenn es regnete, verwandelte sich die umliegende Wiese in ein Matschfeld. Nachts, sagt Astera Aras, hielt sie oft nur ein Gedanke wach: Wir leben, immerhin das. Die Heizungen waren über Wochen nicht funktionsfähig, in den Zelten hing feuchte Kälte. Nach eineinhalb quälenden Monaten zogen sie in den grauen Container, kurz vor Weihnachten kam Gulda zur Welt.

„Es gibt hier im Camp nichts für uns zu tun. Wir warten”, sagt Astera Aras. Zweimal in der Woche gehen sie zu einem Deutschkurs, immer freitags besucht sie mit ihrer Tochter eine Frauengruppe in einem der Zelte. Dazwischen liegt Zeit, die verrinnt. Die Verfahren vieler Flüchtlinge dauern immer noch viel zu lange, eigentlich waren mal drei Monate für eine Entscheidung anvisiert, im Moment warten manche über ein Jahr auf ihre erste Anhörung.

Man merkt trotzdem: Astera Aras möchte nicht undankbar wirken. Die Organisation im Camp habe sich durchaus gemacht, seit einiger Zeit habe jeder Flüchtling eine Zugangskarte aus Plastik, nicht mehr nur ein Stück Papier, es läuft geregelter. Auch das Essen in der Kantine habe sich verbessert. Aber ihr fehlt der Kontakt zu Hamburgern abseits von Helfern und Sicherheitsdienstlern. Um die Unterkunft drängen sich Autopressen und Fabrikschlote, auf dem Weg zum S-Bahnhof Stellingen stehen höchstens ein paar Zeugen Jehovas, die den „Wachturm” auf Arabisch verteilen. Schwierig, da anzukommen.

Astera träumt von einem Chemiestudium, sie hat in Syrien zwölf Jahre die Schule besucht. Ob sie mal studieren kann? Sie weiß es nicht. Die Abschlüsse sind häufig nur schwer vergleichbar, der Weg noch lang. Doch seit einigen Tagen geht es der Familie besser, das Bundesamt für Migration hat ihr endlich einen Aufenthaltsbescheid ausgestellt. Nun hat sie bald einen Termin beim Jobcenter. Es geht voran, ganz langsam.

Wenn Bertold Brecht zwischen grauem Einerlei verehrt wird

„The humanity is missing in there!” Die Menschlichkeit, sie fehlt dort drin. Civan steht vor der Erstaufnahme Rugenbarg in Osdorf, einem großen gelben Klotz, früher mal ein Baumarkt, heute wehen auf dem Dach die Fahnen des Betreibers Deutsches Rotes Kreuz Altona. Es ist nicht die einzige Erstaufnahme in der Nachbarschaft, auf der anderen Seite der Straße liegt auf dem Gelände der Graf-von-Baudissin-Kaserne die ZEA Blomkamp. Wer durch den hohen Gitterzaun auf das Gelände blickt, sieht graues Einerlei, um den Baumarkt gruppieren sich Container, es gibt ein ehemaliges verglastes Gewächshaus, dort essen die Menschen an Bierbänken zu Abend. 1183 Menschen harren hier aus. Civan, ein junger Kurde aus dem Irak, lebt mit vier anderen zusammen, „viel zu viele People”, erklärt er in seiner Mischung aus Deutsch und Englisch.

Der 33-Jährige hat ein Diplom in Kunst und verehrt Bertold Brecht. In der Unterkunft bleiben ihm nur Papier und Wassermalfarben, damit zeichnet er vor allem abstrakte Porträts. Facebook muss als Bühne reichen, dort stellt er seine Zeichnungen aus, fließende Striche, explodierende Farben. Alle seine gezeichneten Gesichter haben traurige Augen. In der Unterkunft, sagt Civan, nehme ihn niemand als Künstler wahr, dort sei kein Platz dafür. Darunter leidet er: „Nur wenn ich Kunst schaffe, wenn ich Skulpturen baue, fühle ich mich lebendig.”

Es sind nicht nur die fehlende Privatsphäre und die Eintönigkeit, es sind auch die Charaktere, die in den engen Erstaufnahmen aufeinanderprallen. Vor Kurzem wusch sich Civan am Waschbecken das Gesicht, seine Geldbörse mit 140 Euro lag für einen Moment offen. Ein Serbe, so sagt Civan, fischte das Geld heraus, beweisen kann Civan es nicht. Im vergangenen Jahr musste die Polizei knapp 2000-mal zu Einsätzen in Erstaufnahmen anrücken.

Träume und Hoffnung trotz Eintönigkeit und Gewalt

Die Stimmung ist oft aufgeheizt, Frust staut sich auf: Da ist das monatelange Warten auf einen Termin beim Bundesamt, die Angst um die eigene Zukunft, manchmal auch jugendliche Tollheit. Oft sind es dann Nichtigkeiten wie die besetzte Steckdose für das Smartphone oder ein Vordrängler in der Essensschlange, die zur Explosion führen. Immer wieder kommt es zu Angriffen auf Sicherheitsleute oder zu Massenschlägereien.

Für Februar notiert der Polizeibericht in der Erstaufnahme Rugenbarg: „1. Februar: Körperverletzung, ein Streifenwagen. Selbsttötungsversuch, zwei Streifenwagen. 7. Februar: Aufnahme eine Anzeige, ein Streifenwagen.” Und so geht es weiter. Immerhin: Im Vergleich zu den besonders problematischen Monaten November und Dezember ist die Zahl der Polizeieinsätze gesunken, auch in der Schnackenburgallee haben sich die Einsätze halbiert.

Forrás: http://www.welt.de

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