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Das Gröbste könnte Angela Merkel jetzt noch bevorstehen

Während Präsident Hollande jeden Anschlagsort in Frankreich persönlich besucht, hält sich Kanzlerin Merkel bislang zurück. Dahinter steckt eine Absicht. Und die hat mit der Flüchtlingskrise zu tun.

Kaum war am Dienstag die Geiselnahme in einer Kirche in der Normandie, bei der ein Priester von IS-Terroristen getötet wurde, beendet, traf Frankreichs Staatspräsident François Hollande am Tatort ein. Hollande hatte sich nach jedem Terroranschlag der letzten Monate vor Ort gezeigt, egal, wie viele Opfer es gab.

Am 17. Juli attackierte bei Würzburg ein islamistisch motivierter Afghane vier Menschen in einem Zug mit einer Axt. Angela Merkel (CDU) sprach den Opfern von Berlin aus ihr Mitgefühl aus. Nach Franken, gar ins Krankenhaus fuhr sie nicht. Als fünf Tage später in München ein Amokläufer neun Menschen erschoss und viele weitere verletzte, blieb sie Bayern ebenso fern.

Als am Sonntagabend in Ansbach erstmals ein islamistischer Selbstmordattentäter aus Syrien auf deutschem Boden eine Bombe zündete, ließ sie sich darüber in ihrem Haus in der Uckermark informieren.

Hollande ist am Tatort, die Kanzlerin hält sich zurück

Zwei Staatslenker – zwei ganz unterschiedliche Herangehensweisen, mit Terror, Angst und Aufarbeitung umzugehen. Die französische Öffentlichkeit hat sich daran gewöhnt, dass ihr Präsident natürlich da ist; die deutsche hingegen kann sicher sein, ihre Regierungschefin nicht am Tatort zu sehen.

Wenn Merkel Opfer, Helfer, Politiker trifft, dann geschieht dies erst nach Wochen, oft Monaten. Wenn das Ereignis dabei ist, langsam historisch zu werden, alle Details bekannt sind. So wird sie nun am kommenden Sonntag auch nach München fahren, zum offiziellen Trauerakt im bayerischen Landtag und im Frauendom.

Trauer in München.
Gewaltserie in Deutschland

Eine Woche, ein Land, vier Anschläge

Mit Stellungnahmen lässt sie sich ebenfalls lange Zeit. Im Falle von Würzburg äußerte sie sich nach zwei Tagen, nach München dauerte es 17 Stunden. Da hatte US-Präsident Barack Obama längst sein Mitgefühl mit Opfern und dem ganzen Land ausgedrückt. Merkel scheint gerade dann, wenn man bestimmtes Handeln von ihr einfordert oder erwartet, ganz bewusst anders: Sie gibt sich stur zurückhaltend.

So beklagten viele Homosexuelle hierzulande, dass Merkel sie nach dem Anschlag auf einen Gay-Club in Orlando als Opfergruppe nicht genannt hatte. Es hätte sie politisch wohl gar nichts gekostet, das schnell nachzuholen. Die Fakten waren ja bekannt. Doch Merkel blieb erst mal stumm. Drei Tage vergingen, bis sie sich schließlich doch noch direkt an die Lesben und Schwulen wandte. Sympathien gab es dafür keine mehr.

Angela Merkel will nicht politisch Profit aus dem Leid schlagen

Merkel lediglich Sturheit oder gar mangelnde Empathie zu unterstellen wäre zu kurz gegriffen. Das Handeln Hollandes und Merkels folgt dem gleichen Zweck: Kontrolle zu vermitteln.

Hollande will durch seine Anwesenheit den Staat als Herr der Lage in Szene setzen. Merkel glaubt, durch ihre Abwesenheit das Gleiche besser erreichen zu können. Der deutsche Staat soll sein Funktionieren besser ohne die Präsenz der Politik unter Beweis stellen, sich gerade darin als funktionierend erweisen.

In Merkels Augen ist der Staat, der nur dann stark erscheint, wenn seine obersten Vertreter sich zeigen, ein schwacher. Zudem will sie nicht den Eindruck erwecken, politisch Profit aus dem Leid anderer schlagen zu wollen.

Deshalb war sie nicht in den französischen Alpen, als im vergangenen Jahr eine Germanwings-Maschine von einem lebensmüden Piloten an einen Berg gelenkt wurde. Das Gymnasium in Haltern, das viele Opfer zu beklagen hatte, besuchte sie zwar, aber erst ein halbes Jahr nach dem Ereignis.

In der Flüchtlingskrise zeigte Merkel viel Empathie

Die Flüchtlingskrise hat hingegen eine Kanzlerin in Erinnerung bleiben lassen, die mit viel Verve und Empathie für die Belange der Flüchtlinge stritt. Doch sollte man weiter zurückblicken. Wochen-, ja monatelang forderten Medien, Prominente und Politiker die Kanzlerin auf, endlich ein Flüchtlingsheim zu besuchen und sich ein Bild von der Lage zu machen.

Noch Mitte August, als täglich Tausende illegal die Grenzen passierten, die Heime sich füllten, sprach Merkel beinahe genervt darüber, dass sie weiterhin überlegen werde, was zu tun sei, und dann irgendwann vielleicht auch mal ein Heim besuchen werde. Die Kanzlerin war bis Ende August überzeugt, dass die Bürger von ihr nicht erwarteten, in einem Flüchtlingsheim Präsenz zu zeigen.

Nicht zum ersten Mal erzwangen die Ereignisse einen Kurswechsel. Am 26. August musste Merkel nach Heidenau reisen. Das Flüchtlingsheim in der Stadt bei Dresden war zuvor von Rechtsradikalen belagert worden, ein politisches Signal war unausweichlich geworden.

Richtig zur mitfühlenden und empathischen Flüchtlingskanzlerin wurde die Kanzlerin nach dem 4. September 2015, als Merkel Flüchtlinge direkt aus Ungarn holen ließ und anschließend die Forderungen nach Grenzschließungen abschmetterte.

Das Eingeständnis einer falschen Politik

Diese Flüchtlingskanzlerin ist in Erinnerung geblieben. Genau das könnte sich als politisch noch hochgefährlich erweisen, gerade jetzt. Denn nun sind es ausgerechnet Flüchtlinge, die Terrorakte begehen und dabei der heimischen Bevölkerung oder wie im Falle Würzburgs ihren Gästen – Touristen aus Hongkong – schaden. Merkel scheint erst langsam zu dämmern, dass ihre abwartende Haltung, ihre fehlende Präsenz, ihre kalkulierte Schockstarre ihr und ihrer Regierung mehr schaden als nützen könnten.

So erreichte Journalisten am Dienstag überraschend die Einladung zu Merkels großer Sommerpressekonferenz. Eigentlich findet die immer vor dem Urlaub der Kanzlerin statt, der hat offiziell schon begonnen. Im letzten Jahr verlegte sie den Termin an das Ende der Ferienzeit. Nun aber unterbricht sie ihre Landpartie in der Uckermark dafür und kommt nach Berlin. Wie im letzten Jahr dürften die Flüchtlinge und die Terrorgefahr auch dieses Mal den Großteil der Zeit in Anspruch nehmen.

Vor zwei Wochen hegte Merkel hingegen noch andere Erwartungen oder Hoffnungen. Beim Wahlkampfauftakt in Mecklenburg-Vorpommern im Ostseebad Zingst sprach sie ein bisher ungehörtes Bekenntnis aus: „Zum Teil wurden die Flüchtlingsbewegungen genutzt, um Terroristen einzuschleusen.” Ein Satz, der in Deutschland wenig wahrgenommen wurde, da es ja Fakt ist, dass etwa einige der Attentäter von Paris über die Flüchtlingsrouten kamen.

Doch Merkel hatte dies noch nie so gesagt. International wurde dies durchaus zur Kenntnis genommen – als Eingeständnis einer falschen Politik. Aus Merkels Perspektive bedeutete er etwas anderes. Er dokumentierte eher das Bewusstsein, dass für sie gewisse Erscheinungsformen der Flüchtlingskrise im Grunde schon Vergangenheit sind. Merkel und andere in ihrer Regierung wollten die Krise eigentlich historisieren.

Möglicherweise steht das Gröbste dem Land noch bevor

Dazu passt, dass ihre Sprecher noch Anfang dieser Woche bemüht waren zu erklären, dass zwei der Täter – aus Reutlingen und Ansbach – ihre Asylanträge ja vor der großen Flüchtlingswelle, nämlich schon 2014, gestellt hatten. Als hätte das mit Merkel, die seit 2005 regiert, nichts zu tun.

Verfangen dürfte dieser Beschwichtigungsversuch nicht, die Flüchtlingsdebatte ist vielmehr mit Wucht zurück. Dafür wird schon die CSU sorgen, die in Bayern gerade in einer Kabinettsklausur über die Folgen aus den Anschlägen, von denen sich drei im Freistaat ereigneten, diskutiert.

Im „Bayernkurier”, dem Hausblatt der Partei, darf ein Redakteur nun freimütig fast alle Schuld an den Ereignissen auf Merkel abwälzen. Als hätte sie das Land den Islamisten mit Wonne zum Ausschlachten hingeworfen.

Vor zwei Wochen wurde in Zingst noch eine Kanzlerin beklatscht, die bei der Flüchtlingsfrage so wirkte, als glaubte sie, aus dem Gröbsten raus zu sein. Die Zugangszahlen sind niedrig, die Turbulenzen nach der Silvesternacht von Köln waren überstanden.

Die wohlwollende Reaktion der Zuhörer zeigte, dass auch sie das ganze Thema gerne ins Geschichtsbuch abgeschoben hätten. Möglicherweise, das lehrt die zurückliegende Woche, steht das Gröbste Merkel und dem Land aber erst noch bevor.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article157321413/Das-Groebste-koennte-Angela-Merkel-jetzt-noch-bevorstehen.html

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